2 min read

Sinn

Meine Lebensspanne ist begrenzt. Eine Tatsache, die für jeden gilt und die eigentlich nebensächlich ist. Beim Browsen im Internet streife ich einen Artikel, ...
Sinn

Meine Lebensspanne ist begrenzt. Eine Tatsache, die für jeden gilt und die eigentlich nebensächlich ist. Beim Browsen im Internet streife ich einen Artikel, der besagt, dass es vor 25 Jahren ein Year-2K-Problem gab. Mein Auge trifft erst den Titel und dann den Teaser. Der Artikel wird wohl davon handeln, dass die IT gut zu tun hatte, um dem Problem zu begegnen. Ich entscheide mich dagegen, ihn zu lesen.

Der Moment bewirkt jedoch, dass mir die vergangenen 25 Jahre plötzlich sehr bewusst werden. Vor meinem inneren Auge spult die Zeit zurück. Plötzlich stehe ich im Flur der Wohnung, in der ich diesen Silvesterabend gefeiert hatte. Ich war bei einem Freund zur Feier eingeladen, der nun längst nicht mehr in meinem Leben präsent ist. Die Menschen, die den Moment mit mir verbracht haben, stehen neben mir. Es ist, als könnte ich sie neben mir spüren. Auch eine bestimmte Person, die mir später, auf dem Boden sitzend, eine Bloody Mary brachte. Ein schreckliches Getränk, das ich versuchte runterzuwürgen, nur um das Gespräch am Laufen zu halten.

Auch wenn ich mich an die meisten der darauffolgenden Silvester nicht erinnere, ist dieser gefühlt nur einen Wimpernschlag her. Es war ein sehr prägnanter Abend in meinen Erinnerungen. Vielleicht, weil ich zu der Zeit 23 Jahre jung war und mir die Welt gefühlt zu Füßen lag. Oder aber, weil wir alle durch vorangegangene Berichterstattung auf das Year-2K-Problem hingewiesen worden waren. Das Umlegen der Sicherung am Schaltkasten um Mitternacht sorgte zudem für kurze Verwirrung und Angst. Schließlich mündete diese in von Lachen unterstützte Erleichterung.

Meine Gedanken wechseln wieder zu der vergangenen Zeitspanne. Mir wird bewusst, dass 25 Jahre wirklich nicht gerade wenig sind. Zudem hatte ich das Glück, eine Jahrtausendwende mitzuerleben – etwas, was nicht selbstverständlich ist. Mit dieser Vergegenwärtigung kommt auch die Einsicht, dass ich die kommende Jahrhundertwende nicht miterleben werde. Dass mir vielleicht noch 30 oder 35 Jahre bleiben hier. Bei meinem jetzigen Lebensstil eher 25 Jahre. Das ist gerade mal so viel, wie es bis hierher von der Jahrtausendwende gedauert hat. Plötzlich erscheinen mir 25 Jahre kurz.

Und dann frage ich mich, was das mit mir macht.

Die Gedanken werden größer, fundamentaler. Etwa, dass ich nichts von Wert auf diesem Planeten hinterlassen werde. Gemeint sind nicht materielle Dinge, denn da wird schon noch was bleiben – vielleicht zur Freude, vielleicht zum Verdruss der Hinterbliebenen, die mein Zeug wegräumen werden müssen. Vielmehr geht es mir um etwas, was den Menschen nach mir wirklich etwas nützen könnte. In zwei, maximal drei Generationen werde ich vergessen sein, und keiner wird sich an mich erinnern. Das ist eine Tatsache, die mich etwas traurig macht und verbittern lässt – im nächsten Moment dann aber in einer Erleichterung mündet. Denn vielleicht kehrt dann Ruhe in meinem Kopf ein. Wenn ich vergessen sein werde.